Ich bin ein Staat
Der Trend zur europäischen Kleinstaaterei geht weiter: Seit wenigen Tagen ist auch das Inselchen Forvik nahe den Shetland-Inseln ein eigener Staat. Vor sieben Jahren kenterte dort in der Nähe der Brite Stuart Hill, Spitzname „Käptn Kalamität“, mit seinem selbstgebauten Boot. Nebenbei schoss er mit seiner SOS-Leuchtmunition fast einen britischen Militärhubschrauber ab. Der Pilot fischte ihn dennoch aus dem Meer und setzte ihn – zur Strafe? – auf dem unbewohnten Eiland ab. Stuart Hill lebt dort seitdem, sturmumtost, in einem Zelt. Vor kurzem wurde es ihm aber doch langweilig, und er rief die Unabhängigkeit Forviks aus. Demnächst will er eigene Münzen, Briefmarken und eine Nationalflagge herausgeben. Ob er Präsident, Kaiser, Diktator oder Staatsvolk werden will, hat Käptn Kalamität indes noch nicht entschieden. Und jetzt frage ich Sie, verehrtes Publikum: Wollen wir nicht alle unsere Ruhe haben vor Steuereintreibern, Orthopäden, Militärs und anderem Pack? Wenn jeder von uns seinen Kleinstaat ausriefe, wäre das nicht eine Lösung für all unsere Probleme? Es verabschiedet sich mit herzlichem Gruß: Ihr vereinigtes Königinnenreich Ute von Scheub.
Blog
Der Wahnwitz der Welt (14)
Quassologie
Mobiltelefone sind nicht gesundheitsgefährdend, sagen Wissenschaftler jetzt, obwohl das Langzeit-Experiment an lebenden Menschen ja noch nicht abgeschlossen ist. Krebs entsteht oft erst nach 30 Jahren, und Massen-Quassologie dieser Art findet erst seit 10, höchstens 20 Jahren statt. Aber seien wir nicht kleinlich, ist ja nur ein Großversuch. Inzwischen gibt es rund 100 Millionen Geräte auf etwa 82 Millionen Bundesbürger – woraus man schließen kann, dass 18 Millionen alleingelassene Handys wahrscheinlich heimlich miteinander telefonieren. Die restlichen 82 Millionen haben sich längst zusammengeschlossen, um per Dauer-Lärmbelästigung an öffentlichen Orten die Volksgesundheit zu untergraben und jede Theateraufführung und jedes Konzert nachhaltig zu versauen. Von den zahllosen Unfällen schon gar nicht reden, die nicht nur quasselnde Autofahrer verursachen, sondern auch SMS-tippende Kinder, die beim Gehen stieläugig auf ihren Display starren. Inzwischen soll es Jugendliche geben, die nicht mehr wissen, wie man ohne Handy miteinander reden kann. Aber Gesundheitsgefahren? Ham wa nich.
Der Wahnwitz der Welt (13)
Doofologie
Man staunt ja immer wieder, was es für Wissenschaftsgebiete gibt: Allgemeine Topologie, Balkanologie, Byzantistik, katalanische Philologie, Mediävistik, Nephrologie, Parasitologie, Pulmologie… Auf dem Wissenschaftsmarkt findet sich für jeden exzentrischen Geschmack etwas. Doch ein Spezialgebiet von übergeordneter Wichtigkeit fehlt geradezu schmerzhaft: die Wissenschaft, die Ausmaß und Funktionsweise der menschlichen Dummheit erforscht, die Bobologie, von spanisch „bobo“, doof. Die Dummheit – ist sie nicht allumfassend und weltenumspannend? Hat sie nicht längst alle Wissensgebiete heimtückisch durchdrungen, Politik und Wirtschaft unterwandert und viele Bereiche des Lebens? Wir müssen nur auf einen gewissen Gast aus Übersee schauen, den die Kanzlerin gerade im Schloss Meseberg empfing. Die Unreife quillt ihm aus jedem Knopfloch. Juvenile Grinseritis im Gesicht, läuft er wie Django, der zu viel in der Blase hat. Mit pubertärer Militanz versucht er der Welt und besonders seinem Papa klar zu machen, wie wichtig er ist. Jetzt erzählt er, dass der Iran die größte Gefahr für den Weltfrieden ist – dabei ist er es selbst. Ein klarer Fall für die Bobologie.
Der Wahnwitz der Welt (12)
Kamelkarawanen
Jüngst ritt ein Oberbayer in München auf einem Kamel in den Knast, um kundzutun, dass in den Behörden „viele Esel oder Kamele sitzen müssen“. Um ein unbezahltes Knöllchen von 25 Euro einzutreiben, hatte man ihn zu eintägiger Haft verurteilt, die den Steuerzahler 140 Euro kostete. Dieser tapfere Bayer verdient Nachahmung! Zum Beispiel bei dem Vorhaben von Energiekonzernen und Bundesregierung, die Klimakatastrophe mit 26 neuen Kohlekraftwerken zu beschleunigen und Deutschland hitzemäßig in Klein-Dubai umzuwandeln. Das ist eine ganze Kamelkarawane wert, die man vor die Tore von Vattenfall & Co treiben könnte. Oder der Export von Mord&Totschlag, verschämt Rüstungsgüterausfuhr genannt: Kleinwaffen und Streubomben machen Deutschland zum weltweit drittgrößten Rüstungsexporteur und heizen andernorts Kriege an. Das wären mindestens drei Eselherden, ein Esel für jeden Abgeordneten, der das nicht verhindert hat. Ach, was für ein weites Arbeitsfeld! Das Regierungsviertel würde zum Freilandzoo. Selbst die Rindviecher, die man gerade zur Milchproduktion nicht mehr braucht, hätten eine neue Berufsperspektive.